Gedichte aus der Jugendzeit

Autor:
Richard Klitzing, *24.4.1966
Metriken:
— v vDaktylus
v v —Anapäst
— vTrochäus
v —Jambus
— —Spondeus
v — vAmphibrachys
— v —Creticus

Das Grubenlicht (Kerze)

Es flackert sich duckend,
Es brennet itzt zuckend,
Es flimmert auch ruckend,
Es funkelt die Flamm.

Das Wachse, das träge,
Es ziehet die Wege,
Und wappend gibt's Stege
Und bilden den Damm.

Und ist sie dann mählich
Ganz klein und sehr spärlich,
Und flackert dann ehrlich,
So denket man dann:

Daß nun sie bald endet
Wenn man sie auch schändet,
Wenn Luft ist entwendet
Erlischt sie daran.

Der Docht sich nun neiget,
Der Rauch, der dann steiget,
In Windrichtung zeiget. –
Und dunkel ist's dann.

Ein Stumpen noch zeuget.
Ein Docht der gebeuget.
Das Dunkel man scheuet,
Ans Hell' man nicht kann.

Amphibrachys; 9.12.1981


Sturmnacht

Es stürmet der Wind.
Es weinet ein Kind.
Es brauset der Sturm.
Es wanket der Turm.
Es ächzet ein Wald.
Orkan kommt nun bald!

Es heulet die Luft
Wie durch eine Gruft.
Es heulet und schreit:
Orkan nicht mehr weit!

Der Himel ist dunkel.
Des Blitzes Gefunkel
Erhellet die Nacht.
Der Sturm hat die Macht!

Amphibrachys; 10.12.1981


Heimwärts

In dem tiefen Schnee
Reit' ich jetzt nach Haus.
Sieh doch dieses Reh,
Das dort tritt heraus.

In dem tiefen Schnee
Reit' ich nun dahin.
Und das kleine Reh
Flieht im Wald dort drinn'.

An dem Tannenwald
Hat die Kält' die Macht.
Bin am See nun bald,
Jetzt ist Heil'ge Nacht!

Doch ich muß noch weit
Durch den tiefen Schnee.
Sieh nur, wie es schneit
Am gefror'nen See.

Heimwärts, heimwärts schnell,
Reit' ich übern See.
Und dort wird es hell,
Vorne überm Schnee.

Schneller reit' ich nun,
Und gefror'n mein Bart.
Will und kann nicht ruh'n,
Und das Eis ist hart.

Wärmer wird es jetzt,
Und die Sonne steigt
Und ich bin gehetzt,
Doch den Weg sie zeigt.

Schnee bedeckt das Eis,
Und schon seh' ich dort,
Alles weiß in weiß,
Meinen kleinen Ort.

Langsam taut mein Bart,
Und ich reite schnell.
Noch, das Eis ist hart,
Und es blendet hell.

Näher kommt der Ort,
Seh' schon jedes Heim
Und die Kirche dort.
Wenn ich da könnt sein!

Unter jedem Tritt,
Den mein Pferd versetzt,
Dröhnt das Eise mit.
Und ich bin entsetzt.

Und mein Pferd es stöhnt,
Und es röchelt laut.
Und das Eise dröhnt.
Ich krieg' Gänsehaut.

Und schon bricht das Eis
Hinter mir in Stück'.
Naß bin ich von Schweiß,
Und ich hab' kein Glück;

Denn schon wieder bricht
Dieses Eis entzwei.
In dem grellen Licht
Hör ich einen Schrei!

Dort am Ortes Rand
Seh' ich Mutter stehn
In dem Festgewand,
Ihre Haare weh'n.

Und es stürzt mein Pferd,
Und ich haste fort,
Und erreich' die Erd',
Und erreich' den Ort.

Trochäus; 20.12.1981


1. Der Mathematikus

Der Mathematikus,
er rechnet mit Lineal,
mit Zirkel und Papier,
und immer an dem Schluß
gelangt er ideal
zur Lösung, wie auch hier.

Wie Nostradamus und
Pythagoras, Einstein,
Copernikus und mehr,
so rechnet er im Rund
der Erd'. Doch sah er ein:
nur richtig rechnet ER.


2. Der Chemiker

Der Chemiker zerlegt
Sulfate zu Oxid
und H2SO4;
wie dieses sich bewegt,
das wird er gar nicht müd'
zu untersuchen hier:

Er fand Arsen und Chlor
und Aluminium,
auch Kupfer und Platin,
er fand auch Chrom und Bor.
Doch wo er sah sich um
dort fand er doch nur IHN.


3. Die Dichter

Die Dichter und Poët',
sie machen Vers und Reim,
Baladen und Gedicht.
Sie dichten wann es geht:
am Tag und auch daheim
bei Nacht und Kerzenlicht.

Einst schrieben Lessing und
Schiller und Fontan'
und Goethe und Homer
Gedichte lyrisch bunt.
Doch dachten alle d'ran:
es spricht durch sie nur ER.

Jambus; 1.1.1982


Die Knospe

Eine Knospe zeigt sich schon am Baum.
Schwillt, wird prall und träumt noch ihren Traum.
Platzen wird sie, bald sich schön nun zeig'n
Zwischen andern Knospen, Blüten, Zweig'n,
Sich entfalten in der ganzen Pracht
Und sich wieder schließen über Nacht.
Doch am Tage sie nun immer glüht,
Immer wieder – bis sie dann verblüht.
Welk sie ihre Blätter hängen läßt
In des Baumes grünenden Geäst.
Doch ihr Sterben ist gebären nur;
Denn nun reifen Früchte in der Flur.

Trochäus; 1.1.1982


Nacht am Fluß

Die Tiefen des Tales sind schwarz wie die Nacht,
Und dumpf hört man rauschend den grundlosen Schacht.
Dort unten, im Tiefen, strömt reißend ein Band:
Die Fluten des Flußes, die hör' ich vom Rand.
Dort tost es, dort tobt es und Gischt wird versprüht –
Und oben am Rande mein Feuer verglüht.
Nur's Brausen des Flußes das höret man noch;
Und müde einschlaf' ich allmählich dann doch.

Amphibrachys; 14.1.1982


Quercus pedunculata (Stiel-Eiche)

Die Eiche auf der Weide steht.
Sie ist vom Sturm zerzaust, zerweht:
Ein Ast der morsch, ein Zweig der bricht
und Sturm um Sturm im Angesicht.
Er kennet sie, sie kennet ihn.
Weit über ihr die Wolken zieh'n.
Noch steht sie da, ganz morsch und bleich,
noch lebet sie, die hohle Eich'.

Und brausend nahet sich im Sturm
nun ein Gewitterwolken-Turm.
Die Kühe fliehen in den Stand,
ganz ängstlich hinter Dach und Wand.
Ein Blitz, der zuckt, ein Baum, der kracht,
in der gewitterschwarzen Nacht.
Der Donnergroll erschreckt die Küh',
's rumort im Stand das Fleckenvieh.

Und wieder zuckt ein Blitz herum,
und wieder wirft es Bäme um.
Jetzt näher, näher kommt der Sturm
mitsamt Gewitterwolken-Turm.
Hernieder fährt der Feuerstrahl,
gespalten wird der Eichenpfahl.
Der Donnergroll, der laut und schwer,
hält keine Kuh im Stalle mehr:

Nun alles fliehet, tobet, rennt.
Die Eiche auf der Weide – brennt.

Jambus; 21.1.1982


Salix viminalis (Kopf-Weide)

Knorrig, an des Baches Rand,
Steht 'ne alte Weide.
Glitzernd fließt ein weißes Band
Plätschernd ihr zur Seite.

Langsam wird vom Abendrot
Mild die Silhouette.
Ich, in meinem kleinen Boot,
Blick' vom Baches-Bette.

Nebel steigt nun aus dem Sumpf
und verhüllt die Weide.
Nun, als allerhöchsten Trumpf,
Hüllt's der Mond in Seide.

Gnomenhaft schaut nun der Kopf
Aus dem Dunst herüber;
Nie sah ich 'nen traur'gen Tropf,
Niemals jemand trüber.

Trochäus; 25.2.1982


Kleiner See

Dunkel – in der Nacht –
Mondessichel wacht,
lichtet hier und dort
den geheimen Ort:
diesen kleinen See.

Auch der Wald verstummt.
Keine Biene summt
seit die Sonne sank
über Ufersbank,
dieses kleinen Sees.

Nicht ein Vogel ruft
in der kühlen Luft.
Selbst vom Felsen dort
hört man nicht ein Wort
übern kleinen See.

Sanft nun ruht die Welt. –
Weit dort hinterm Feld
schläft ein kleiner Ort;
Glockenschlag weht fort
übern kleinen See.

Aus der dunklen Nacht
Käuzchen sind erwacht.
Und ihr dumpfer Ruf
wieder Ruhe schuf
an dem kleinen See.

Langsam sinkt der Mond,
der dort droben wohnt,
hinterm Wald hinab. –
Schwarz ist's wie ein Grab
um den kleinen See.

Dunkel ist die Nacht. –
Wie von fremder Macht
wird's gespenstiglich,
stiller noch um dich,
du, der kleine See.

Doch allmählich drauf
zieht ein Lüftlein auf.
Frischer wird die Luft,
und ein Hahn schon ruft
fern vom kleinen See.

Denn schon dämmert's dort,
über'm kleinen Ort.
Vogelsang erwacht.
Vergangen ist die Nacht
an dem kleinen See.

Trochäus; 27.6.1982


Herbst

Dort, unter eines Baumes hängendem Geäst,
sitzt ein traurig', kleines Kind,
das weinend seine kleinen Tränen rollen läßt;
eine nach der ander'n rinnt.

Ganz traurig sieht's wie Blatt um Blätter fallen jetzt.
Nur eines bleibet noch am Baum.
Und dann, in seinen Schoß fällt dieses Blatt zuletzt.
Tot ist nun sein letzter Traum.

Verzweifle nicht, du menschlich' Kreatur!
Dies ist der Wandel der Natur!
Was heute noch zu sterben scheint,
sich morgen wieder grünend' eint!

Jambus; 24.9.1982


Herbstliche Stürme

Jetzt stetig es pfeifet
gekommen von West,
und kräftiger greifet
es Zweig' und Geäst':

Die herbstlichen Stürme,
wild rasen sie fort,
um Ecken der Türme,
durch Höfe wie dort.

Sie reißen die Blätter
herunter vom Baum.
Bei solch einem Wetter –
geladen der Raum!

Amphibrachys; 9.12.1982


Clochard

Kauernd sitzt er dort am Haus,
starret müde vor sich dicht
auf die Groschen in dem Hut,
starrt sie an – und sieht sie nicht.

Da, mechanisch schlägt die Hand
auf Gitarrensaiten ein
und der Stimme rauher Klang
fällt in heißer Sehnsucht drein;

in dem Innern brennt die Glut
aus der längst vergang'nen Zeit:
Menschenhaß, Geselligkeit,
Liebe und erduldet' Leid. –

Und wenn abends Schatten aus
Häusersenkung' komm'n hervor,
einsam geht dann ein Clochard
feuchten Blickes vor das Tor...

Trochäus; 19.5.1983


Evolution der Schöpfung

Nichts –
und doch alles.
Und dieses Nichts
verdichtet sich,
wird Wille, Energie,
wird Licht.
Und der Wille inkarniert,
nimmt Form an
und lebt.

Leben –
scheinbar nur Materie.
Und dennoch
in ihm:
Licht.

Eins wird alles,
alles ist eines.
Und das Eine
differenziert sich
zersplittert in viele
milliarden kleinste Teilchen.

Und Du?
verloren?
Teilchen im Raum,
ein Nichts in der Ewigkeit.
Und dennoch:
Du lebst! –
im Licht.

Anfang April 1985


Das Rad der Zeit

Licht
Kraft
Energie:
Anfang!
  und schon:
  Keime
  zuerst zaghaft
  zart
  leicht zerbrechlich;
  ein Hauch
  schwach leuchtend,
  noch kraftlos,
  kaum bindend.
  Aber Leben.
    Wieder von Neuem:
    Energie,
    viel Liebe
    sodaß:
    vorsichtig,
    behutsam sprossend
    der Keim sich
    stärke.

Dann:
wieder eine Pause.
Eine Probe?
– Prüfung?
  Jedenfalls:
  ein neuer Anfang,
  ein Impuls:
  denn Licht
  läßt ihn walten –
  ungebunden und frei.
  Mächtig treibt es –
  Kraft! –
  Der Sproß verankert,
  Bewußtsein naht!
    Sodann:
    die Entfaltung.
    Selbst offenbarend
    durch Liebe:
    Licht, Kraft und Energie
    tausendfach bereit
    zu neuem
    Anfang!

7.7.1986